Der große Liquiditätstest – Wie stark sind die Aktienmärkte ohne Fed-Geld?
Die US-Notenbank zieht Liquidität aus dem Markt. Jahrzehntelang galt das als schlechtes Omen für Aktien. Doch bisher blieb der Einbruch aus. Jetzt steht die Frage im Raum: Haben sich die Märkte von der Geldpolitik emanzipiert. Oder beginnt bald eine neue Abwärtswelle?
Die versteckte Kraft hinter steigenden Kursen
Seit Jahren gilt die Geldpolitik der US-Notenbank als unsichtbare Triebfeder der Finanzmärkte. Wann immer die Fed frisches Geld in den Kreislauf pumpte, schossen die Kurse nach oben. Nun aber versiegt diese Quelle. Zwei zentrale Instrumente, über die die Notenbank Liquidität bereitstellte, laufen aus. Anleger fragen sich: Bricht der Markt ein – oder hat sich die Börse längst vom Fed-Einfluss gelöst?
In der Theorie führt weniger Liquidität zu sinkenden Kursen. Doch die Praxis erzählt eine andere Geschichte. Während Immobilien und Private Equity seit 2022 unter den steigenden Zinsen leiden, zeigt sich der Aktienmarkt überraschend widerstandsfähig. Die Fed hat die Zinsen stark erhöht, aber die Kurse steigen wieder. Eine Rally trotz teurer Kredite – das stellt die klassische Marktlogik infrage.
Warum Immobilien und Private Equity kämpfen
In der Wirtschaftsgeschichte folgte auf jede Zinserhöhung früher oder später eine Abkühlung. Teurere Kredite bremsen Investitionen, und das trifft zuerst die Immobilienbranche. In den USA sanken die Preise, vor allem bei Gewerbeobjekten. Zahlreiche Bauträger mussten Insolvenz anmelden. Auch der Markt für Private Equity verlor an Schwung.
Investoren sind vorsichtiger geworden. Institutionelle Anleger und Family Offices investieren ihr Kapital wieder lieber in Anleihen mit festen Renditen, statt in riskante Start-ups. Der Zugang zu frischem Kapital wurde enger, viele Fonds mussten ihre Wachstumspläne zurückstellen. Der Druck auf junge Unternehmen steigt. Doch während in diesen Bereichen der Rückschlag sichtbar ist, hält sich der Aktienmarkt erstaunlich stabil.
Die wundersame Stärke der Börse
Als die Fed 2022 die Zinsschraube anzog, folgte zunächst der erwartete Kursrutsch. Doch kaum begannen die Zinserhöhungen zu wirken, starteten die Aktien schon wieder durch. Besonders Technologieunternehmen trieben die Indizes nach oben. Der Nasdaq und der S&P 500 erreichten neue Rekordstände – trotz steigender Finanzierungskosten.
Diese Entwicklung überraschte viele Marktbeobachter. Schließlich hatte die Fed parallel begonnen, ihre Bilanzsumme zu reduzieren. Ein Prozess, der 2018 noch deutliche Kursverluste ausgelöst hatte. Diesmal blieb die negative Reaktion aus. Offenbar kompensierten andere Mechanismen den Liquiditätsentzug. Die entscheidende Rolle spielten dabei die Bankreserven und die sogenannte Reverse-Repo-Fazilität.
Bankreserven und Reverse-Repo – die versteckte Stütze
Nach dem Kollaps der Silicon Valley Bank im Frühjahr 2023 reagierte die Fed mit einer Notmaßnahme. Banken durften ihre Anleihebestände zum Nennwert beleihen. Das brachte neues Geld ins System. Die Bankreserven der Institute stiegen stark an, obwohl die Fed offiziell Liquidität abzog. Hinzu kam die Reverse-Repo-Fazilität. Sie war ursprünglich gedacht, um überschüssige Mittel kurzfristig bei der Notenbank zu parken. Doch ab Mitte 2023 begann das dort liegende Kapital wieder in den Markt zu fließen. So kehrte Liquidität zurück, ohne dass die Fed ihre Bilanz ausweitete.
Nun aber dreht sich das Bild. Die Bankreserven sinken, und die Reverse-Repo-Bestände sind nahezu vollständig abgebaut. Damit fallen zwei unsichtbare Stützen weg, die den Markt bisher getragen haben. Für viele Beobachter ist das der Moment, in dem sich zeigen wird, ob die Börse tatsächlich von der Geldpolitik abhängt oder eigene Kräfte entwickelt hat.
Was Anleger jetzt beachten sollten
Die kommenden Wochen könnten richtungsweisend werden. Sollte die Theorie stimmen, dass Liquidität der Haupttreiber für steigende Kurse ist, droht nun eine Korrektur. Weniger Reserven bedeuten weniger Spielraum für Kredite, Investitionen und Spekulation. Die Folge wären sinkende Bewertungen.
Bleiben die Kurse jedoch stabil, wäre das ein Signal, dass andere Faktoren das Marktgeschehen dominieren. Unternehmensgewinne, Produktivität, technologische Innovation oder schlicht globale Kapitalströme könnten stärker wiegen als die Politik der Fed.
Für Anleger bedeutet das: Der Blick auf die Zinsentscheidungen allein reicht nicht mehr. Der Markt könnte sich dauerhaft von den gewohnten Mustern lösen. Wer investiert, muss die fundamentalen Daten wieder stärker in den Mittelpunkt rücken und sich auf eine neue Phase der Marktmechanik einstellen.
Ob die Börse ohne Fed-Liquidität auskommt oder der Entzug doch Folgen zeigt, wird sich bald zeigen. Die Aktienmärkte stehen vor ihrem größten Belastungstest seit Jahren.
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Dieser Artikel dient ausschließlich zur allgemeinen Information und ist keine Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Anlagen und Aktien. Infos Unter übernimmt keinerlei Haftung für daraus entstehende Ansprüche.