Nord Stream 2 und deren politische Auswirkungen
Nord Stream 2 und deren politische Auswirkungen Internationale Interessen, Konflikte und Entwicklungen

Nord Stream 2 heizt das politische Klima an

Die Nord Stream 2 spaltet nicht nur die Gemüter innerhalb des Landes, sondern auch die auf internationaler Ebene. Denn immerhin prallen hier wichtige Wirtschaftsinteressen aufeinander. Mit über 1.230 km ist Nord Stream 2 einer der längsten Offshore-Pipelines der Welt und soll zukünftig über 250.000 Haushalte in Europa mit Gas versorgen. Begründung für diese umfangreiche Maßnahme sehen der Kreml und die Bundesregierung in verschiedenen Bereichen. Hauptsächlich geht es der Bundesregierung hierbei um die langfristige Versorgungssicherheit für ein Land mit stetig steigendem Energiebedarf. Diese ist besonders in Zeiten des Energiewandels stark gefährdet, da Deutschland wohl als einziges Land gleichzeitig den Ausstieg aus Kernkraft als auch aus Kohle anstrebt. Russisches Erdgas soll hierfür die günstigere und auch umweltschonendere Alternative sein. Doch ob es den europäischen Interessen dient, gilt unter vielen Experten als umstritten.

Kritiker befürchten, dass Europa sich mit der Fertigstellung der Pipeline in eine absehbare Abhängigkeit von Russland begibt. Diese Vorwürfe werden auch tatkräftig seitens der USA untermauert, die schon Anfang des Jahres in einem Gastbeitrag das Projekt als „… Anfälligkeit Europas für russische Erpressungen …“ würdigten. Fakt ist, Washington investiert viel Geld in die geplante Energiestruktur Europas und möchte, dass Europäische Länder Energie-Ressourcen von den USA beziehen. Doch momentan stößt ihr verflüssigtes Erdgas (auch LNG genannt – liquefied natural gas) auf einen schlechten Absatz, was hauptsächlich den höheren Preisen geschuldet ist. Dass sich durch die neue Pipeline die Situation nicht bessern wird, weiß auch Trump, der folglich in das gleiche Horn stößt. Deutschland würde sich zur „Geisel Russlands“ machen, heißt es in einem seiner Kommentare.

Grafische Darstellung mit dem Schlagwort Machtkonflikt

Europa als Interessenzentrum zwischen zwei Machtgefügen

Eines ist klar – die energiepolitische Landkarte der Welt wird in Europa entschieden. Das russische Gas bleibt billig, und mit der neuen Pipeline sichert sich Russland erneut einen strategischen und wichtigen Knotenpunkt in der europäischen Wirtschaft.

Dass es das Machtgefüge innerhalb des Kontinentes durcheinanderbringt, ist offensichtlich, und wurde schon 2017 nach dem Ausbruch der Ukraine-Krise von den Amerikanern realisiert. Denn schon da drohten die USA erstmals mit Sanktionen gegen Unternehmen, die Russland beim Bau der Pipeline unterstützen. Insbesondere in der letzten Zeit werden gezielt Kreditgeber und Reedereien ins Visier genommen, die am Verlegen der Pipeline beteiligt sind. Einreiseverbote, sowie die Aufhebung wirtschaftlicher Zusammenarbeit sollen auch als Druckmittel gegen Deutschland wirken. Gegensanktionen sieht Merkel nicht vor, aber entgegnete zeitgleich „Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA.“. Wie sich die Beziehungen nach der angespannten Lage weiterentwickeln werden, ist unklar. Sicher ist, es wird einen Wandel geben.

Könnte Nord Stream 2 doch noch scheitern?

Kurz vor der Fertigstellung hat die USA der europäischen Energiepolitik einen schweren Riegel vorgeschoben. Der erwartete Eingriff Washingtons führte zwar zu einem unmittelbaren Baustopp auf der Ostsee, wird aber langfristig das Projekt nicht stoppen können, so das Außenministerium in Moskau. Hierbei will Russland auf eigene Ressourcen zurückgreifen. Schiffe wie die „Akademik Tscherski“ würden zwar den technischen Auflagen entsprechen, arbeiten aber nur halb so schnell und bräuchten Monate, um in die Ostsee zu gelangen. Die jüngsten Strafmaßnahmen zeigen, wie ernst es der USA um die europäische Energiesicherheit ist.

Die Schweizer Firma Allseas, welche mit ihren Spezialschiffen die Gasröhren am Boden der Ostsee verlegt, drohte man mit „potenziell vernichtenden Sanktionen“ und Einreiseverboten, sollte der Bau der Pipeline nur einen Tag nach Verabschiedung des Gesetzes fortgesetzt werden. Um sich vor weiteren Konsequenzen zu schützen, stoppte Allseas weitere Vorgehen. Und das aus gutem Grund. Denn neben den weitaus lukrativeren Geschäften im Golf, würde auch der gesamte Allseas-Besitz in den Vereinigten Staaten eingefroren werden. Dies würde zudem deren Sitz in Houston (Texas) betreffen, sowie Schiffe des Unternehmens, welche die US-Hoheitsgewässer befahren.

Sicher ist, die Strafmaßnahmen dürften zu neuen Spannungen zwischen den USA und der Bundesrepublik führen. Sie zeigen nicht nur, wie gespalten die diplomatische Beziehung zu der USA wirklich ist, sondern auch wie uneinig man sich auf europäischer Ebene mit dem Thema begegnet. Zwar verurteilte der Bundestag die Strafsanktionen scharf, sieht aber von Gegensanktionen ab. Hier will man – um weitere Zuspitzungen zu vermeiden – auf Dialog und Interessenausgleich setzen.

Hingegen begrüßen einige EU-Staaten das Vorgehen der USA. Darunter auch Länder wie Polen und die Ukraine, die mitunter um ihre Position als führende Transitländer für russisches Gas fürchten. Wie aber von Deutschland gewünscht und begrüßt, verkündeten Russland und die Ukraine kurz nach der Verabschiedung der Strafsanktionen eine Einigung auf einen neuen Gastransitvertrag bis 2024. Dies dürfte zwar der auf Transit angewiesenen Ukraine kurzfristig helfen, aber unter Berechnung der Kapazität von Nord Stream 2 langfristig gesehen um die Hälfte an Einnahmen wegnehmen. Unterm Strich gehen die europäischen Transitländer als Verlierer hervor. Ob das Nord Stream 2 tatsächlich aufhalten wird, ist unwahrscheinlich.